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Akzeptanz von E-Learning in der Pflege – eine qualitative Analyse

Inhaltsverzeichnis

Das St. Johannisstift in Paderborn setzt sowohl in der Akademie als auch für die eigenen Mitarbeiter*innen die E-Learning-Plattform sowie E-Learning-Kurse von Relias Learning ein, insbesondere zur Absolvierung der Pflichtfortbildungen. Vor der Einführung des Systems bestanden Bedenken, ob alle Mitarbeiter*innen das E-Learning als alternatives Fortbildungsangebot zu den klassischen analogen Schulungen annehmen werden. Zwei Jahre nach der Einführung des Systems hat nun eine qualitative Befragung die Akzeptanz von E-Learning in der Pflege validiert.

Das St. Johannisstift ist eine Evangelische Stiftung mit Sitz in Paderborn mit 154-jähriger Tradition. Als freigemeinnütziger, evangelischer Träger mit verschiedenen Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen bietet die Einrichtung ein vielseitiges medizinisches und pflegerisches Versorgungsangebot. Ca. 1.100 Mitarbeitende sind in den Bereichen Krankenhaus, Bildungsakademie, Altenpflege sowie Kinder- und Jugendhilfe tätig.

Seit 2016 setzt das St. Johannisstift die E-Learning-Plattform sowie die Online-Kurse von Relias Learning ein. Im Rahmen einer Masterarbeit der Universität Bielefeld wurde zwei Jahre nach Einführung des Systems die Akzeptanz von E-Learning in der Pflege methodisch untersucht.

Die Analyse erfolgte mit Hilfe leitfadengestützter Einzelinterviews und auf Basis der sozial- und technikwissenschaftlichen „Unified Theory of Acceptance and Use of Techology II (UTAUT II)“. Die „UTAUT II“ wurde speziell zur Messung der Nutzer*innen-Akzeptanz von Informationstechnologien entwickelt. Demnach ist die Akzeptanz von folgenden Einflussfaktoren abhängig:

  • Leistungserwartung: wahrgenommene Vorteile durch die Nutzung des neuen Systems
  • Aufwandserwartung: subjektive Aufwandseinschätzung für die Nutzung des neuen Systems
  • Unterstützende Rahmenbedingungen: subjektiv wahrgenommene Unterstützung durch die technische und organisatorische Infrastruktur des Unternehmens
  • Sozialer Einfluss: subjektive Wahrnehmungen über Ansichten relevanter Bezugspersonen (Freunde, Familie etc.)
  • Hedonistische Nutzungsmotivation: wahrgenommenes Vergnügen und Freude an dem neuen System sowie die Relevanz dieses Vergnügens
  • Habitualisierung: selbst eingeschätzte Veränderungen der Nutzungsgewohnheiten

Befragt wurden Mitarbeitende aus der Altenpflege als auch aus der Krankenpflege in verschiedenen Einrichtungen des St. Johannisstift.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Akzeptanz-Untersuchung

Leistungserwartung

Alle Befragten betrachten die orts- und zeitunabhängige Nutzung von E-Learning als entscheidende Bereicherung im Rahmen der Fort- und Weiterbildung. Vor dem Hintergrund der enormen Belastung aufgrund des Schichtdienstes, der knappen zeitlichen Ressourcen sowie unterschiedlicher Lernverhalten wird die Möglichkeit der selbstständigen Zeiteinteilung als bedeutende Erleichterung angesehen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielen hier eine nicht unwesentliche Rolle.

Des Weiteren wird die Zeitersparnis geschätzt, da es nicht mehr notwendig ist, zu traditionellen Präsenzfortbildungen zu fahren. Aufgrund reduzierter Aufnahmefähigkeit und Motivation wurden diese insbesondere vor dem Spät- oder nach dem Frühdienst als sehr anstrengend empfunden.

Die Kurse von Relias Learning sind multimedial gestaltet, sodass eine interaktive Bearbeitung möglich ist. Lerninhalte werden alltags- und situationsnah vermittelt. Dies eignet sich insbesondere für Themen wie z. B. Demenz und Parkinson sowie für Wundversorgung und Dekubitusprophylaxe.

Zusätzlich steht durch Relias Learning ein großes Spektrum an verschiedenen Fort- und Weiterbildungen zur Verfügung. Es wird als klarer Vorteil angesehen, die Themen nach dem eigenen Interesse auszuwählen und nicht nur auf Pflichtveranstaltungen angewiesen zu sein.

Überdies bestätigt die Mehrheit der Befragten, dass die Lerninhalte mit E-Learning besser verinnerlicht würden, da sich die Lernenden intensiv und bewusst mit dem Inhalt beschäftigen. In den Präsenzveranstaltungen würde man leicht abgelenkt und neige dazu, mit Kolleg*innen zu kommunizieren.

Aufwandserwartung

Aus allen Interviews geht hervor, dass die Bedienung des E-Learning-Systems als einfach und benutzerfreundlich angesehen wird. Die Lerninhalte sind gut beschrieben und das Programm augenfreundlich gestaltet. Der Aufwand für die Bedienung wird von den meisten Befragten als gering bewertet.

Alle hier Befragten nutzen in ihrer Freizeit Computer, Laptops oder Tablets. Auch weist das St. Johannisstift bereits einen hohen Digitalisierungsgrad auf, sodass die Mitarbeiter*innen bereits Vorkenntnisse mit digitalen Medien haben.

Allerdings besitzen nicht alle Lernenden zu Hause einen Computer oder Laptop, sodass diese Zugangsmöglichkeit von der Einrichtung nicht als Selbstverständlichkeit gesehen werden könne. Auch stehen Internetzugänge nicht immer in ausreichender Bandbreite zur Verfügung.

Der Blended-Learning-Ansatz – E-Learning zur Vor- oder Nachbereitung von Präsenzveranstaltungen – wird überwiegend begrüßt, die zeitliche Koordination jedoch aufgrund von Schichtdiensten, wie sie in der Pflege nicht unüblich sind, als potenzielle Herausforderung empfunden.

Unterstützende Rahmenbedingungen

Diese Kategorie wurde von allen Befragten sehr positiv bewertet. Für die Mitarbeiter*innen des St. Johannisstift wurde eine Einführungsveranstaltung im Computerraum des Bildungszentrums durchgeführt. Vor allem die Anmeldung, der Aufbau sowie der Umgang mit dem E-Learning-System von Relias Learning wurde dargestellt und geübt. Jede/r Mitarbeiter*in führte die Anwendung eigenständig an einem Computer durch. Mögliche Schwierigkeiten konnten direkt vor Ort angesprochen werden. Zur weiteren Übung wurde Schulungsmaterial verteilt. Die Veranstaltungsleitung steht bis heute als Ansprechpartner*in bei Schwierigkeiten zur Verfügung.

Unter den Befragten bestand Einigkeit, dass diese Maßnahmen entscheidend zur Akzeptanz des neuen E-Learning-Systems beigetragen haben.

Einige der Befragten wünschen sich einen Schulungsraum in den Einrichtungen, um die Fortbildungen in Leerzeiten durchzuführen oder aufgrund eines fehlendes Zugangs zu Hause.

Sozialer Einfluss

Die Mehrheit der Befragten tauscht sich mit Familie und Partner*innen über die neue Lernform aus. Der Austausch mit Freunden findet überwiegend statt, wenn diese ebenfalls in der Pflege tätig sind. Unter Kolleg*innen ist der Austausch über Relias Learning rudimentär, insbesondere mit Bereichen, die noch kein E-Learning eingeführt haben.

Die Ansichten der Befragten und der relevanten Bezugspersonen sind in den meisten Fällen kongruent. Die Mehrzahl der Befragten kennt weitere Unternehmen, welche E-Learning zur Fort- und Weiterbildung anwenden.

Hedonistische Nutzungsmotivation

Ein Teil der Befragten empfindet die Themenvielfalt des Kursangebotes als förderlich, da das Interesse an einem Thema die Motivation beeinflusse. Insbesondere neugierigen und wissbegierigen Mitarbeiter*innen ist es wichtig, sich neben den Pflichtfortbildungen auch zu anderen fachlichen Themen weiterbilden zu können.

Die Fallbeispiele haben eine hohe Bedeutung für das Vergnügen. Diese seien aus dem Pflegealltag bekannt und würden den Mitarbeiter*innen so nochmals vor Augen geführt, was sich wiederum positiv auf die Akzeptanz auswirkt.

Überdies wird eine Erinnerungsfunktion als positiv angesehen. Diese steht seitens Relias Learning zwar zur Verfügung, wurde aber im St. Johannisstift nicht implementiert.

Auch die Möglichkeit der zeit- und ortsunabhängigen Nutzung von E-Learning trägt laut einem Teil der Befragten zum Vergnügungsfaktor und damit zur Akzeptanz des Systems bei.

Einige der älteren Befragten empfinden es als Erfolgserlebnis, dass sie das System erfolgreich bedienen können und sind dadurch motiviert.

Gamification-Ansätze und Abteilungsrankings haben nur eine geringe Bedeutung.

Habitualisierung

Keiner der Befragten hatte Vorerfahrungen mit E-Learning, der erste Kontakt mit dieser Lernform erfolgte im St. Johannisstift.

E-Learning wird von den Befragten zu unterschiedlichen Zeiten eingesetzt. Die Mehrheit hat einen bestimmten und gewohnten Zeitpunkt für die Nutzung. Lediglich eine Minderheit integriert das E-Learning spontan in den Alltag (insbesondere jüngere Mitarbeiter*innen).

Implikationen für Einrichtungen, um die Akzeptanz von E-Learning in der Pflege zu erhöhen

Darunter fallen Maßnahmen, welche die subjektive Akzeptanz der Nutzer*innen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern fördern. Hier gilt es, das E-Learning-Konzept an zielgruppenspezifische Bedarfe anzupassen, unterstützende Rahmenbedingungen zu schaffen, Belastungen zu reduzieren, den Nutzen von E-Learning zu vermitteln und die hedonistische Nutzungsmotivation zu begünstigen.

Konkret können hier folgende Maßnahmen genannt werden:

  • Angebote zur Förderung der Medien- und Informationskompetenz in Form von Einführungs- und weiterführenden Veranstaltungen und Bedienungsanleitungen
  • Ansprechpartner*innen vor Ort zur Klärung technischer Fragen
  • Ausreichende Ausstattung mit unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten, um Kooperation, Austausch und Kollaboration zu ermöglichen
  • Ermöglichung einer individuellen Gestaltung des Lernprozesses – in der Einrichtung oder zu Hause
  • Bereitstellung von Ressourcen, sofern nicht bereits vorhanden, z. B. Schulungsraum in der Einrichtung mit ausreichend Infrastruktur oder Tablets für die Lernenden
  • Regelmäßiger Erfahrungsaustausch, z. B. in Teambesprechungen
  • Fürsprache von Lernenden gegenüber Abteilungen/Bereichen, die die Einführung von E-Learning noch vor sich haben

Fazit

Der Gesundheitssektor in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Die Fort- und Weiterbildung in der Pflege sind von zentraler Relevanz, der Bedarf wird weiter steigen.

Durch den Einsatz von E-Learning wird die Kompetenz in der Pflege sowie in der Konsequenz eine qualitativ hochwertige Patient*innenversorgung sichergestellt. Um E-Learning flächendeckend zu integrieren, ist es notwendig, die Akzeptanz durch beruflich Pflegende zu untersuchen und mit geeigneten Maßnahmen zu stärken.

Durch die vorliegende Arbeit wird belegt, dass vor allem der flexible Einsatz von E-Learning und die Möglichkeit des individuellen Lernens in der Pflege sehr geschätzt werden. Zudem wirken sich die Integration multimedialer Lern- und Lehrmethoden sowie das vielfältige Themenspektrum positiv auf die Akzeptanz durch die Nutzer*innen aus.

Leistungs- und Aufwandserwartung haben den größten Effekt auf die Nutzungsmotivation, hier kann ein positives Fazit für die Akzeptanz des E-Learning-Systems im St. Johannisstift gezogen werden.

Mit dem flankierenden Einsatz von Veranstaltungen zur Schulung des Systems sowie zum kollegialen Austausch kann die Akzeptanz weiter erhöht werden.


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Jessica Iltner hat an der Universität Bielefeld ihren Master of Science in Public Health erfolgreich absolviert. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld im Centre for ePublic Health Research und arbeitet im Projektmanagement bei der Knappschaft Bahn-See.
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